Nachdem ich den Blog gestern veröffentlicht hatte, bin ich zum Motel zurück und traf dort Bob, den Inhaber. Er lud mich ein, mich für ein Gespräch zu ihm zu setzen. Daraus wurden dann wieder fast 2 Stunden. Er erzählte mir, dass er als Geologe in sehr vielen Teilen der Welt gelebt und gearbeitet hat, dass er selbstständig war und seine Firma verkauft hat und sich jetzt nur noch mit Projekten beschäftigt, die ihm Spaß machen. Ein unglaublich interessanter und kluger Mann – war ein tolles Gespräch.
Anschließend traf ich die Entscheidung heute bis Harrodsburg zu fahren und habe über AirbnB die Übernachtung in einem Privathaus gebucht. Mittlerweile organisiere ich meine Übernachtungen über alle möglichen Kanäle. Bei den eingeschränkten Möglichkeiten, die man als Radfahrer hat (der Radius ist nun einmal begrenzt), muss man da flexibel sein.
Nach 117 km und 1.326 Hm war ich dann auch heute am Ziel. Das erste, was ich dann tat, war es ein Rehkitz zu füttern. Wie es dazu kam erzähle ich dann später.
Ich habe heute neben dem Höhenprofil auch mal die Geschwindigkeiten mit abgedruckt. Heute ein permanenter Wechsel zwischen 30 km/h und mehr und 6 km/h und langsamer. Ich glaube ich habe heute nicht eine Minute gehabt, in der ich im gleichen Gang gefahren bin.
Um kurz vor sieben machte ich mich heute morgen ohne Frühstück auf den Weg. Noch in McKee fand ich an einer Tankstelle die Möglichkeit etwas zu Essen zu kaufen (wieder ein Frühstück an einer Tankstelle – echt romantisch, aber man gewöhnt sich dran). Der Morgen war wieder sehr schön und es ergaben sich schon bald einige schöne Gelegenheiten, um mal ein Foto zu machen (unglaublich tolle Stimmung morgens)
Der erste Halt heute morgen sollte in Berea sein. Aus Westen kommend, das Tor in die Apalchen. Aus Osten kommend, deren Ende. Der Weg dorhin war nochmals mit einigen knackigen Anstiegen verbunden. Und dann zogen urplötzlich pechschwarze Wolken auf und es begann wie aus Eimern zu schüttern – die Vorwarnzeit ist nicht besonders lang. Zum Glück fand ich genau in diesem Augenblick einen Unterstand.
Genau so schnell wie der Regen kam, ging er dann auch wieder. Die restliche Strecke nach Berea führte lange bergab über eine Straße, die mitten durch die Felsen hindurch gebaut wurde.
Nach 40 km kam ich dann in Berea an. Eine wirklich nette kleine Universitätsstadt mit dem Berea Collge. Ich nahm mir vor, dort eine kleine Pause zu machen und fand ein ganz tolles Cafe. Dort bestellte ich dann meinen ersten Cappuchino mit Croissant seit ich in den USA bin. Das gab es bisher nirgendwo. Unglaublich, wie man sich mal wieder auf einen Cappuccino freuen kann. Gleichzeitig lag das Cafe fast genau an der Stelle, an der die zweite Karte endet.
Ab Berea änderte sich die Landschaft dann auch erkennbar. Die durch Minenaktivitäten geprägte Landschaft der Apalachen, die mich die letzten 9 Tage so gefordert hat, war vorbei und es begann eine landwirtschaftlich genutzte Hügellandschaft. Die gesamte Gegend scheint wie Wellen auf dem Ozean zu sein. Alles nicht besonders hoch, aber auch nie gerade. An einer geeigneten Stelle machte ich dann mal ein Foto von der zurückliegenden Gegend und eins von der vor mir liegenden.
Ja und so ging es dann die 75 km ab Berea bis zum Ziel immer wieder über die „rolling hills“. Die Kunst besteht darin, runter so viel Schwung aufzunehmen, dass man dann auch wieder rauf schafft. Das klappt leider nicht immer und dann heißt es doch für die letzten 4-5 Meter Höhe oder mehr wieder ganz runter in den kleinsten Gang. Die Schaltung muss hier schon echt was aushalten.
Auffällig war heute, dass neben mir einige Autofahrer die Scheibe runterdrehten und fragten woher ich komme und wohin die Reise geht. Nachdem ich das dann jeweils erklärt hatte beendeten die Leute das Gespräch immer mit einem „god bless you“ – eindeutig ein Zeichen dafür, dass ich im sogenannten „Bible Belt“ der USA, der sehr gläubigen Mitte des Landes angekommen bin.
Auf den letzten 25 km verdunkelte sich der Himmel wieder zusehends und es gab immer mal wieder leichte Schauer (tat ja sogar noch ganz). Schlimmer war eigentlich, dass mit den Wolken der Wind doch stark auffrischt und der kommt dann natürlich so richtig von vorne. Also die Kombination aus bergauf, Wind von vorne und Regen bei zunehmendem Feierabendverkehr fordert schon eine Menge ab. Als sich dann ca. 10 km vor dem Ziel noch Blitz und Donner dazu gesellten, suchte ich mir wieder Unterschlupf in einer Garage. Dort unterhielt ich mich noch ganz nett mit dem Eigentümer und informierte die Vermieterin für die Nacht, dass ich etwas später kommen werde.
Ja, so kam ich dann gegen 18:00 Uhr in diesem riesigen 200 Jahre alten Haus an und habe dann erstmal das baby deer gefüttert, bevor ich mir selbst eine Dusche und etwas zu essen gönnte. Man muss schon Prioritäten setzen. Das Rehkitz ist wirklich zum knuddeln. ich habe auch ein Video gemacht, kann es aber derzeit nicht hochladen, weil die Verbindung zu schwach ist. Hier aber ein paar Bilder.
So, dass war es denn auch wieder für heute. Insgesamt geradelt sind bisher 3.286 km bei 27.590 Hm. Für morgen habe ich noch kein Ziel defininiert. Wie man heute wieder gesehen hat – meistens kommt es doch irgendwie anders. Also mal sehen, wo ich morgen abend bin.