Da wir heute nicht gefahren sind, konnten wir ein wenig ausschlafen und es insgesamt etwas ruhiger angehen lassen. Auf dem Weg zur Tourist Information kamen wir schon direkt an diversen Sehenswürdigkeiten von Antwerpen vorbei. Zunächst folgten wir der „Meir“, einer sehr schönen Einkaufsstraße, passierten dann den Boerentoren, den ersten Wolkenkratzer in Europa. Anschließend passierten wir den Groen Platz mit dem Rubensdenkmal und einem tollen Blick auf die imposante Liebfrauen Kathedrale, deren Turm allerdings derzeit restauriert wird. Weiter ging es über den Großen Markt, der von prachtvollen Bauten umgeben ist bis an das Ufer der Schelde, wo die Tourist Information liegt.
Außer einem Stadtplan konnte man uns dort leider nicht so viel weiterhelfen. Ein Mitarbeiter entschuldigte sich mit dem Hinweis, dass sich aufgrund der Pandemie permanent etwas ändert und man deshalb lieber keine Auskunft mehr als eine falsche erteilt, wenn man sich nicht ganz sicher ist. In unserem Fall war man sich sicher, dass eine Hafenrundfahrt (durch einen der größten Häfen in Europa) heute nicht angeboten wird. Der Hinweis auf das Angebot morgen half uns leider nicht wirklich weiter, weil wir dann schon nicht mehr da sind.
Eine große Rolle spielen in Antwerpen Diamanten und so besuchten wir eine kostenlose Ausstellung, die einen guten Überblick über dieses kleine aber feine Geschäft gab. Schon gestern auf der Fahrt vom Bahnhof zum Hotel sind wir an einer Vielzahl von Diament- und Juweliergeschäften vorbei gefahren. In unmittelbarer Nähe liegen zudem die Diamentenbörsen und verschiedene Prüfinstitute. Angeblich hat Antwerpen einen Anteil von rd. 90 % am Handel mit legalen Diamanten. Das ist schon eine ganz eigene Welt.
Anschließend machten wir erst einmal halt in einem der vielen Waffelhäuser, in der belgische Waffeln in allen Variationen angeboten werden. Natürlich nutzten wir diese Gelegenheit auch gleich für unseren Vormittags Cappuccino. Antwerpen zeigte sich heute von seiner besten Seite. Blauer Himmel und eine angenehm warme Sonne begleiteten das muntere Treiben in dieser quirligen Stadt.
Trotz des schönen Wetters entschlossen wir uns, die Geschichte von Antwerpen noch aus einer ganz anderen Perspektive zu beleuchten – nämlich von unten. Um 13:00 Uhr haben wir uns zu einer Führung durch die Ruien angemeldet. Das sind Kanäle, die seit dem frühen Mittelalter in der Stadt angelegt wurden und die damals für die gesamte Entsorgung in der Stadt genutzt wurden. Der damit verbundene Gestank veranlasste die Menschen, diese Kanäle ab Anfang des 19. Jahrhunderts zu überwölben. Die Stadt entwickelte sich dann oberhalb dieser unterirdischen Kanäle weiter. Wir haben einen ca. 1,2 km langen Spaziergang in diesen Kanälen unternommen. Ausgestattet mit Gummistiefel, Schutzkleidung und Infotablet haben wir uns gemeinsam mit ca. 15 anderen Personen auf den Weg gemacht. Eine sehr interessante Erfahrung, wenn auch sicher nicht für Menschen mit empfindsamen Geruchssinn geeignet.
Den Rest des Tages bummelten wir einfach so durch die Stadt und genossen das muntere Treiben. Besonders schön war noch das Spiel von zwei Musikern, einer mit Geige und einer mit einer Klarinette, die sich im Abstand von ca. 20 m gegenüber saßen und u.a die Filmmusik von „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Es war einmal in Amerika“ in wunderschöner Weise spielten. Das hatte ein ordentliches Trinkgeld verdient.
Eine besondere Note bekam die Atmosphäre in der Stadt noch durch ein großes Schwulen Festival, das aktuell über 6 Tage in Antwerpen stattfindet. Überall waren Männer zu finden, die teilweise sehr außergewöhnlich gekleidet oder sogar verkleidet waren.
Was daneben noch auffällig war, ist dass obwohl das Fahren von E-Rollern, Rädern und ähnlichem in der Fußgängerzone erlaubt ist, haben wir nicht eine Situation erlebt, in der es zu rücksichtslosem Verhalten oder Pöbeleien gekommen ist. Im Gegenteil: Autofahrer halten freiwillig an um Radfahrer oder Fußgänger über die Straße zu lassen. Ein wenig von diesem entspannten Verhalten im Straßenverkehr würde ich mir auch in der Heimat wünschen.
Heute ist der letzte gemeinsame Abend mit Sylvia auf dieser Tour, die morgen früh zurück fährt. Ich werde dann mit dem Zug wieder nach Gent fahren und dort weitermachen, wo wir gestern gemeinsam aufgehört haben.



