Strecke: 118 km (bisher: 745)
Anstieg: 683 m (bisher: 1.140)
Fahrzeit: 6:08 Std (bisher: 1 Tag 16:27)
Kurz nach dem Start in Lille gab es direkt eine schockierende Entdeckung. Ich folgte der vom Navi vorgegebenen Route. und wunderte mich, dass die Strecke plötzlich mit großen Steinen blockiert war, wobei man diese Steine mit etwas Geschick auch umfahren konnte, was ich auch tat. Die nächsten 1 bis 2 km hatten es in sich. Die Verschmutzung an der Strecke nahm immer weiter zu bis ich inmitten einer eigentlich sehr schönen Parklandschaft durch Slums fuhr. Überall lag Abfall in risigen Mengen herum. Die menschen dort hausten in Baracken, Zelten oder sehr alten und verfallenen Wohnwagen. Es stank erbärmlich nach Fäkalien. Einem Meer an Glasscherben konnte ich auch nicht ausweichen und fuhr einfach hindurch. Gut, dass ich vor meiner Abfahrt noch in neue Reifen investiert hatte. Nach 3 bis 4 Minuten war der Spuk vorbei und die Gegend normalisierte sich zusehends. Das war, obwohl ich keine Menschenssele gesehen habe, ein Erlebnis der besonderen Art. Ich war froh, als ich da wieder raus war. Immerhin verstand ich, warum man die Radfahrer davon abhalten wollte, diesen Weg zu nehmen. Ich werde versuchen, solche Hinweise künftig besser zu beachten. Noch eine ganze Weile gingen mir diese Eindrücke durch den Kopf und ich fragte mich, wer diese Menschen wohl sind, und was ihr Schicksal ist.
Anschließend ging es weiter durch verschiedene Parks und später an Kanälen entlang. Dort waren zu dieser frühen Stunde schon viele Angler am Werk. Ich muss zugeben, dass ich doch einen gewissen Respekt vor der Ausholbewegung beim Angeln habe, besonders dann, wenn diese direkt neben dem Radweg stattfindet. Ich stellte mir vor, wie ein unvorsichtiger Angler ausholt, während ich an ihm vorbeifahre und sich der Haken in meinem Oberschenkel verhakt. Kein schöner Gedanke. Alle Angler, die ich sah, waren aber sehr aufmerksam, so, dass nichts derartiges geschah.
Der Streckenverlauf war heute sehr abwechslungsreich und verlief durch Parks, an Wasserläufen entlang, über Nebenstrecken, ehemalige Bahntrassen und durch viele kleine Städte im Sonntagsschlaf. Im 2. Teil der Strecke nahm die Anzahl der Hügel und damit auch der Anstiege deutlich zu., so dass heute mehr Klettermeter zusammen kamen als bisher insgesamt.
Am Nachmittag fuhr ich an diversen Denkmälern für die in der Schlacht an der Somme im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten entlang. Mir war nicht klar, dass hier deutlich mehr Soldaten ihr Leben gelassen haben als in Verdun, dem zweiten großen Kriegsschauplatz im ersten Weltkrieg an der Westfront. Ich fuhr auch über lange Strecken über zerklüftetes Gelände entlang, das durch Warnschilder abgesperrt war. Die Warnschilder weisen auf Munitionsreste hin. Unglaublich, dass über 100 Jahre danach immer noch ganze Landstriche dadurch belastet sind.
Heute gab es praktisch keine vernünftige Möglichkeit für eine gute Pausenverpflegung. Zwei Tabak Cafes, an denen es schon bei Vorbeifahren extrem nach Rauch roch, habe ich liegen gelassen. So habe ich mich heute nur durch meine Bordvorräte verpflegt. Erst 10 km vor dem Ziel ergab sich am höchsten Punkt des heutigen Tages an einem dieser angesprochenen Denkmäler noch die Gelegenheit für eine kurze Einkehr mit Kaffee und Muffins. Anschließend ging es gemächlich bergab und mit Rückenwind bis in den Zielort. Die reservierte Unterkunft erreichte ich gegen 15:45 Uhr.
Das war es auch schon wieder für heute. Morgen geht es in das kleine Städchen Aumale. Die Strecke morgen wird rd. 100 km lang sein.

