Zum Vorbericht » Tag 139 – von Bodega Bay (CA) nach San Anselmo (CA)
Nach 31 km und 257 Höhenmetern erreichte ich mit San Francisco das letzte Ziel auf meiner langen Radtour durch Europa und den USA.
Da ich nur eine kurze Strecke zu bewältigen hatte ließ ich mir heute Morgen für das Frühstück und das letzte Zusammenpacken meiner Klamotten viel Zeit. Auch heute wurde mein Start durch einen strahlend blauen Himmel begleitet. Die Strecke führte mich weiter durch den Großraum von San Francisco Richtung Golden Gate Bridge. Die von ACA herausgesuchte Strecke verlief zum Glück nicht über die sehr verkehrsreichen Hauptsrecken sondern mehr über kleinere Straßen durch Wohngebiete hindurch. An den Häusern kann man schon erkennen, dass das hier eine sehr wohlhabende Region ist.
Kurz nach dem Start gab es mal wieder die Gelegenheit für eine gute Tat. Am Straßenrand stand eine junge Frau recht hilflos vor ihrem Mountainbike. Ich hielt an und sie signalisierte mir, dass sie Hilfe benötigt. Die Kette hatte sich am Hinterrad irgendwie verkeilt. Mit Zange und Handtuch konnte ich das Problem schnell lösen und sie fuhr dann auch recht flott weiter.
Kurz danach sah ich schon auf der Karte, dass die Strecke sehr kurvig wurde – ein sicherer Hinweis, dass es nach oben geht. Und so war es dann auch – von knapp über Null auf 100 Meter und auf der anderen Seite in sehr schönen Kurven wieder hinunter.
Nach dieser schönen Abfahrt verlief der Weg dann eine Zeit lang auf einem reinen Rad und Fußweg entlang der Richardson Bay. Im Jahr 2010 sind wir als Familie diese Strecke schon einmal zusammen in die andere Richtung gefahren. Immer wieder gingen meine Gedanken an diesen Ausflug zurück. Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mich zwei Radfahrer, die am Wegesrand standen, ansprachen.
Es waren John aus Irland und Andrew aus Seattle, die schon seit ein paar Tagen in San Francisco sind und sich heute für eine Tagestour auf den Weg gemacht hatten. Beide hatte ich vor einigen Tagen schon einmal getroffen.
Gemeinsam mit anderen Radlern, die ich in den letzten Wochen traf, wohnen sie in einem Hostel nicht weit entfernt von meiner Unterkunft. Wir verabredeten uns für ein gemeinsames Bier am Abend.
Dann ging es weiter an der Bucht entlang. Dabei unterquerte ich zunächst den Highway 101, auf dem ich weiter nördlich über lange Strecken gefahren bin und der hier zu einer sehr breiten Hauptstraße angewachsen ist. Weiter ging es übner den Bridgeway Boulevard Richtung Süden.
Nach einigen Kilometern kam dann erstmals die Skyline von San Francisco in Sicht. Immer wieder gab es tolle Blicke auf das Wasser.
In Sausalito führte die Straße wieder steil in mehreren Schleifen nach oben. Und dann kam endlich die Golden Gate Bridge in Sicht, die in einer Höhe von ca. 80 Meter die San Francisco Bay überspannt. Die Überquerung der Brücke ist auch ein würdiger Abschluss dieser langen Radtour. Das Wetter war dafür einfach traumhaft. Die meiste Zeit im Jahr liegt die Brücke im Nebel. Heute allerdings war davon nichts zu sehen. Schöner kann ich mir die Bedingungen dafür nicht vorstellen. Wer auch immer heute für das Wetter verantwortlich war – herzlichen Dank dafür! Anders als im Jahr 2010, als wir mitten in der Urlaubszeit hier waren, war heute auf der Brücke recht wenig los, was den Genussfaktor noch etwas erhöhte.
Der restliche Weg führte über Wander- und Radwege entlang der Bay. Mit mir waren dort unendlich viele Radfahrer, Spaziergänger und Läufer unterwegs.
Eine tolle entspannte Stimmung. Die letzten Meter des Weges führten direkt an der weltberühmten Fisherman`s Wharf entlang.
Gegen 12:30 erreichte ich die reservierte Unterkunft. Am Nachmittag machte ich einen Spaziergang zu einem Fedex Shop um die Bedingungen für den Versandt des Fahrrads zu klären. Dabei stellte sich heraus, dass der Versandt weit über 500 EUR kostet. Anrufe bei zwei anderen Anbietern kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Ich werde das Rad dann wohl doch selbst mit dem Flieger mitnehmen. Die Kosten dafür liegen bei nur ca. 150 EUR. Ich muss jetzt nur noch klären, wo ich einen Transportkarton herbekomme – es gibt aber ja auch hier eine Vielzahl von Fahrradgeschäften.
So, das war es dann auch wieder für heute. Stop – nicht nur für heute. Das ist der letzte Blogeintrag auf dieser Reise. Hier ein paar Daten:
Insgesamt geradelt: 9.620 km bei 74.821 Höhenmetern.
Insgesamt 140 Tage unterwegs, davon 115 auf dem Rad, 21 Pausentage und 4 Reisetage mit Leihwagen oder Flugzeug
117 verschiedene Unterkünfte, davon einmal im Zelt (Yellowstone Park)
Zeit auf dem Rad: ca. 600 Stunden (nicht genau gestoppt – nur geschätzt)
Pannen: (nur) 5 platte Reifen
Technik: Mantel des Vorderrades über die ganze Zeit nicht gewechselt, den Mantel des Hinterrad einmal. Die Kette wurde ebenfalls einmal gewechselt.
Krankheiten: keine
Blogeinträge: Mit dem heutigen Eintrag 129
Kosten: habe irgendwann aufgehört zu zählen
Schlußwort:
Das Gefühl jetzt am „Ziel“ zu sein, ist sehr seltsam. Auf der einen Seite ist da große Freude über das baldige Wiedersehen mit Sylvia sowie Zufriedenheit über das Erreichte und auf der anderen Seite eine gewisse Leere und Traurigkeit darüber, dass dieses Abenteuer auf dem Rad jetzt vorbei ist. So legte sich heute auch ein wenig Wehmut über den heutigen Tag.
Immer wieder gingen meine Gedanken zurück auf die letzten 140 Tage, zurück an den Start zuhause, als die Kinder mir für die Reise ein selbst gestaltetes Shirt (trage ich im Übrigen gerade) schenkten und Stefan kurz vor der Abfahrt mit einigen Portionen Dextro vor der Tür stand. Die ersten Tage mit Sylvia in Deutschland und Frankreich, ihre Abfahrt von Frankreich nach Hause, dann alleine weiter Richtung Spanien und Portugal. Die Pausentage in Lissabon und der Flug in die USA. Kulturschock in den USA hinsichtlich Verpflegung und Straßenverkehr mit der Frage: „was mache ich hier eigentlich?“. Die ersten Begegnungen mit den sehr offenen, gastfreundlichen, interessierten und hilfsbereiten Amerikanern. Die Erkenntnis, dass die USA in Teilen aussieht wie ein Entwicklungsland, depressive Menschen und Verfall in vielen Städten. Die Gewöhnung daran, dass man den Tag aufgrund der oftmals fehlenden Infrastruktur und der sehr anstrengenden Streckenprofile gut planen muß. Das Überwinden von Herausforderungen wie Wetter, Hunde und Streckenprofile. Das Erleben und Eingestehen von körperlichen Grenzen. Die Bewunderung von anderen Reisenden, die mit sehr geringen Mitteln oder sehr viel länger als ich unterwegs sind. Die Zufriedenheit, wenn ich ein Tagesziel erreicht hatte.
Die Freude über das Wiedersehen mit Anna-Lena und Alex und später den Besuch von Klaus und Joanna und die gemeinsamen Tage.
Meine Erwartungen an diese Reise haben sich mehr als erfüllt. Insbesondere die Begegnungen mit den vielen Menschen waren sehr bereichernd und teilweise berührend. Daneben war es immer wieder ein überwältigendes Gefühl mit dieser langsamen Geschwindigkeit durch diese teilweisen grandiosen Landschaften zu radeln. Insbesondere die Weite in Kansas, Colorado und Wyoming haben mich an einigen Stellen einfach nur mit offenem Mund staunen lassen.
Noch ein Wort zum Blog: Wie ich früher schon einmal schrieb, wollte ich zunächst keinen Blog schreiben, weil ich der Meinung war, dass ich das für mich allein nicht brauche. Diese Einschätzung wäre ein Fehler gewesen. Insofern bin ich froh, dass ich mich dazu entschlossen habe. Es half mir die ganze Zeit sehr, die vielen Erlebnisse und Eindrücke zu sortieren und so jeden Tag abschließen zu können. Ich hätte zudem nie damit gerechnet, dass so viele Menschen, mit denen ich in verschiedenster Form verbunden bin, Interesse und offenbar auch Freude an diesen Berichten hatten. Ich habe das zumindest aus den vielen Reaktionen über die verschiedenen Kanäle geschlossen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass die Tatsache, dass andere Menschen die Berichte über eine solche Reise verfolgen, so motivierend sein kann. ich habe mich über jede Reaktion sehr gefreut. Das half mir sehr, damit klarzukommen, dass ich ja doch über sehr lange Zeit alleine unterwegs war.
Zum Schluss noch ein besonderer Dank: Eine solche Reise machen zu können ist ein besonderes Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. Der Dank geht dabei natürlich auch an meine Familie, die mich dabei vorbehaltlos unterstützt hat und hier insbesondere an meine liebe Sylvia, mit der ich heute seit 21 Jahren verheiratet bin.