Vorab noch ein kurzer Nachtrag zu gestern Abend: Ich suchte mir für das Abendessen ein kleines Restaurant in der Nähe der Unterkunft. Ich saß keine 2 Minuten an meinem Einzeltisch, als sich eine Frau vom Nachbartisch , an dem eine Gruppe von 5 Personen saß, umdrehte und fragte, ob ich auf Radtour sei (scheinbar sieht man mir das zwischenzeitlich an, obwohl ich keine Radbekleidung trug). So erzählte ich kurz von der Tour und wurde sofort an den Tisch eingeladen. Die Einladung nahm ich natürlich gerne an und so wurde es ein sehr netter Abend mit guten Gesprächen über alles Mögliche. Nach etwa 2 Stunden machten sich dann alle auf den Weg und eine andere Frau sprach mich mit der gleichen Frage an, ich erzählte von der Tour und dann ging sie wieder. Weil ich erwähnte, dass mein Ziel am nächsten Tag Charlottesville ist, kam dann deren Bekannte nochmal zu mir an den Tisch und bot mir in Charlottesville eine kostenlose Übernachtung an, da sie dort wohnt. Ich bedankte mich für das Angebot, lehnte aber ab, da ich bereits eine Unterkunft gebucht hatt. (außerdem hatte ich ein wenig Respekt vor den möglichen Kommentaren) Die Leute hier sind schon sehr offen, interessiert und gastfreundlich.
Um 15:30 erreichte ich heute den Zielort Charlottesville (Virginia) nach gut 92 km und 890 Hm. Ein echt anstrengender Tag, wobei die Temperaturen für hiesige Verhältnisse recht gemäßigt waren.
Um kurz nach acht verließ ich dann heute morgen das B&B. Die Betreiberin des B&B Theresa gab mir noch eine US-Flagge mit auf den Weg, die ich dann (als Abstandhalter) hinten ans Rad band. Meine Hoffnung ist, dass der Respekt vor der eigenen Flagge hilft, zu enges Überholen zu vermeiden.
Da ich etwas abseits der Route war, suchte ich mir den kürzesten Weg wieder zurück und war dann nach 10 km wieder „on track“.
Die Strecke heute war ähnlich wie gestern Vormittag, so dass ich hier auf Wiederholungen verzichte. Da es fast den ganzen Tag bewölkt war, gab es auch nicht wirklich tolle Gelegenheiten für schöne Bilder von der Strecke.
Der Tag war aus anderen Gründen heute interessant. Am späten Vormittag hatte ich dann meine ersten Begegnungen mit frei herumlaufenden Hunden. Die erste war recht unproblematisch. Der Gute hatte mich wohl erst recht spät bemerkt und ausserdem ging es leicht bergab. So trat ich einfach etwas strammer in die Pedalen und er gab auf – Yeahhh! Die zweite Begegnung war dann nicht so einfach – es ging leicht bergauf, also keine Chance mit Geschwindigkeit etwas zu erreichen. So stieg ich ab, brachte das Rad zwischen den Hund und mich und schreite ihn immer wieder mit eiinem lauten „no“ an. Jedesmal zuckte er zusammen und zog sich kurz zurück, um dann wieder in meine Richtung zu stürmen. Nach dem fünften Mal hatte er wohl keine Lust mehr. Ja das Thema mit den Hunden wird mich wohl noch eine Weile begleiten. Kentucky soll diesbezüglich ein ganz heißes Pflaster sein. Es gibt hier sehr unterschiedliche Strategien damit umzugehen, die kleinsten Stufen habe ich ja schon praktiziert. Wasser aus der Getränkeflasche zu spritzen wäre dann die nächste Eskalationsstufe. Einige Radler haben auch kleine Steine in Griffweite. Die letzte Stufe ist dann der Einsatz von Pfefferspray, wobei mir jeder sagt, dass man dann in der Aufregung echt aufpassen muss, aus welcher Richtung der Wind kommt.
Nach ca. 55 km gab es die einzige Chance, irgendwo Lebensmittel zu kaufen. Ich nutze das dann gleich für meine Mittagspause. Das passte ganz gut, weil es doch recht heftig anfing, zu regnen. Herrlich so ein Mittagsessen im Stehen vor einem kleinen Laden irgendwo in the middle of nowhere.
Ungefähr 10 km weiter erfasste mein mittlerweile geschultes Auge wieder einen kleinen Hund, der mich offenbar auch gesehen hatte und in meine Richtung stürmte. Dieser wurde jedoch von den auf der Terasse sitzenden Leuten zurück gerufen und – er gehorchte. So wollte ich meine Tour fortsetzen, als plötzlich einer der Männer auf der Terasse mir hinterrief, ob ich auf dem Weg nach Oregon sei. Ich bejahte und er bat mich kurz umzukehren. Erst dann sah ich, dass er ebenfalls mit dem Rad unterwegs war. Er erklärte mir, dass er ebenfalls in die Richtung fährt und nur kurz wegen des Regens gehalten hat und gefragt, ob er sich unterstellen kann. Die Bewohner des Hauses, haben ihn darauf eingeladen zu duschen und ihn mit Lebensmitteln versorgt.
Wir einigten uns, dass wir gemeinsam nach Charlottesville fahren und ich lud ihn ein, in meinem Zimmer zu übernachten. Hier in den USA ist den Hotels meist egal, wieviele Leute im Zimmer schlafen. Man bezahlt pro Zimmer und nicht pro Gast. Mein neuer Mitstreiter ist Andrew aus New York City, 24 Jahre alt und ist vor ca. 2 Wochen zu Hause gestartet. Mal sehen, ob ich mit meinen 52 Jahren und 10 kg mehr Gepäck da mithalten kann.
Tja so bekommt so eine Tour seine eigene Dynamik – aber das ist es ja auch, was diese Art zu reisen ausmacht. Man weiß einfach nie was so passiert und muss die Dinge -ob gut oder ob schlecht- nehmen wie sie kommen.
Das war es für heute. Bisher insgesamt geradelt sind 2.316 km bei 14.840 Hm. Morgige Etappe soll in Afton enden. Die Strecke bis dahin ist mit ca. 50 km nicht besonders lang. Für den Nachmittag, sind schwere Gewitter angekündigt und am nächsten geht es dann in die erste echte Bergwertung mit einem langen Anstieg von fast 30 km bei (hoffentlich) moderater Steigung.